Wir haben eine intensive Folge von Ereignissen vor uns, die morgen beginnen werden. Wie Sie wissen, werden wir gemeinsam am Gipfeltreffen des Europarats in Island teilnehmen. Dann geht es weiter zum G7-Gipfel nach Hiroshima. Und schließlich haben wir das Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Republik Korea in Seoul. Deshalb möchten wir Ihnen heute nähere Einblicke in die wichtigsten Themen geben, die uns von einem Gipfeltreffen zum nächsten begleiten werden.
Das erste – ein großes und wichtiges Thema – ist natürlich die Ukraine. Und hier geht es um unsere geeinte Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine, aber auch um unsere anhaltende und verlässliche Unterstützung dieser mutigen Nation. Wie Sie sicherlich wissen, war ich am letzten Dienstag in Kiew, und es war beeindruckend, die Beharrlichkeit, die Widerstandsfähigkeit und die Ausdauer des ukrainischen Volkes aus erster Hand zu sehen und zu erleben. Deshalb denke ich, dass wir als unterstützende Länder nun das gleiche Maß an Ausdauer und Beharrlichkeit an den Tag legen müssen. Und ich gehe davon aus, dass die Staats- und Regierungschefs sich dem anschließen werden. Ich erwarte auch, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf zwei Hauptgrundsätze verständigen werden: Der erste Grundsatz besagt, dass wir der Ukraine zur Seite stehen, „solange es nötig ist“. Der zweite Grundsatz lautet „Nichts in Bezug auf die Ukraine ohne die Ukraine“.
„Solange es nötig ist“, muss sich im Grunde wie folgt niederschlagen: eine stabile finanzielle Unterstützung, natürlich auch über 2023 hinaus; eine beschleunigte militärische Unterstützung, in deren Mittelpunkt das „Jetzt“ und „Hier“ steht. „Nichts in Bezug auf die Ukraine ohne die Ukraine“ bedeutet eine nachdrückliche Unterstützung für die Friedensformel von Präsident Selenskyj. Wir sollten niemals vergessen, dass die Ukraine das Land ist, das brutal überfallen wurde. Deshalb sollte es auch das Land sein, das die Grundprinzipien für einen gerechten Frieden festgelegt. Präsident Selenskyj hat diese Friedensformel selbst vorgestellt und erklärt, dass er für Gespräche offen sei. Aber die Friedensformel sollte uns allen als Richtschnur bei allen unseren Bemühungen dienen und die Grundlage unserer weiteren Arbeit sein. Dann werden wir im Rahmen der G7 auch über Sanktionen sprechen und natürlich eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen und künftigen Maßnahmen vornehmen. Wie Sie wissen, hat die Kommission das 11. Sanktionspaket vorgeschlagen. Sein Schwerpunkt liegt vor allem auf der Sanktionsdurchsetzung und der Bekämpfung von Umgehungspraktiken. Wir werden dies, wie immer, sehr eng mit den anderen G7-Partnern abstimmen, die ebenfalls ähnliche Pakete ausarbeiten. Schließlich werden wir in Reykjavík darüber diskutieren, wie Russland zur Rechenschaft gezogen werden kann. Ich werde mich entschieden für die Schaffung eines Sondergerichts einsetzen, damit das russische Verbrechen der Aggression vor Gericht kommt. Außerdem werden wir über die Einrichtung eines Schadensregisters in Den Haag entscheiden. Dies wird ein erster, aber ein sehr guter Schritt auf dem Weg zu russischen Entschädigungen sein. Soweit zur Ukraine.
Das zweite Hauptthema dieser Folge von Gipfeltreffen und Zusammenkünften ist die Frage, wie die Beziehungen zu einem sich wandelnden China gestaltet werden können. Wir unterhalten zwar alle unsere eigenen – unabhängigen – Beziehungen zu China, ich bin aber zuversichtlich, dass sich die Staats- und Regierungschefs der G7 auf eine Reihe gemeinsamer Grundprinzipien einigen werden. Zuallererst streben wir einen vielschichtigen Ansatz für unsere Wirtschaftsbeziehungen zu China an. Er zeichnet sich durch Risikominderung und nicht durch Entkoppelung aus. Gleichzeitig bemühen wir uns um eine Zusammenarbeit mit China in Fragen von globaler Bedeutung wie dem Klimawandel. Und natürlich stehen wir auch im Wettbewerb mit China. Das bedeutet: Wir müssen unsere eigene wirtschaftliche Dynamik stärken und wir müssen die Probleme in unseren Volkswirtschaften angehen. Wir werden unsere strategischen Abhängigkeiten verringern. Wir haben die Lehren aus dem vergangenen Jahr gezogen. Und wir stehen bei zentralen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen zusammen. Das bedeutet: Wir werden China weiterhin aufrufen, den Krieg Russlands nicht zu unterstützen. Wir werden unser unerschütterliches Eintreten für Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße bekräftigen. Wir erkennen die „Ein-China-Politik“ an. Gemeinsam lehnen wir jede einseitige Änderung des Status-quo ab, vor allem auch, wenn sie gewaltsam erfolgen soll. Und ein weiteres Thema: Wir werden eine kleine Reihe fortgeschrittener Technologien schützen, von denen wir wissen, dass sie den militärischen Vorteil der nächsten Generation bestimmen werden. Damit bin ich schon beim Thema der wirtschaftlichen Sicherheit, einem neuen und wichtigen Thema.
Wir erleben Versuche der Ausübung wirtschaftlichen Zwangs – zum Beispiel Chinas gegenüber Litauen. Ähnliche Praktiken beobachten wir gegenüber Japan und Australien. Im Allgemeinen sind wir dort am meisten für Zwang anfällig, wo Abhängigkeiten entstehen. Deshalb ergreifen wir so entschiedene Maßnahmen, um unsere Resilienz zu steigern und auf diese Weise Schwachstellen zu vermeiden. So müssen wir beispielsweise unsere Abhängigkeiten von kritischen Rohstoffen verringern, darüber haben wir schon viel gesprochen. Aus diesem Grund wurde das Gesetz zu kritischen Rohstoffen vorgeschlagen.
Überdies denken wir – wie Sie wissen – derzeit etwa im Bereich der fortgeschrittenen Technologien über eine Modernisierung unseres Instrumentariums nach. Hier geht es beispielsweise um die Überprüfung von Auslandsinvestitionen oder um erweiterte Ausfuhrkontrollen. Auf diesem Gebiet ist Japan schon längst Vorreiter. Daher hat es die wirtschaftliche Sicherheit zu einem zentralen Thema seines G7-Vorsitzes gemacht. Und zu allem, was ich gerade angesprochen habe, wird die Kommission im Juni eine Strategie für wirtschaftliche Sicherheit vorlegen.
Das letzte übergreifende Thema, auf das ich eingehen möchte, betrifft die sauberen Technologien. Die Dekarbonisierung ist die Herausforderung unseres Jahrhunderts – das ist gar keine Frage. Wir alle brauchen und wollen den Aufbau wettbewerbsfähiger industrieller Grundlagen für saubere Technologien. Das ist von allergrößter Bedeutung, wenn wir den Klimawandel meistern wollen. Als wir mit dem europäischen Grünen Deal anfingen, also im Dezember 2019, zu Beginn meiner Amtszeit, ging es um die schnelle Einführung erneuerbarer Energien. Heute geht es um den Zugang zu Technologien, den Zugang zu Rohstoffen und die Ausweitung der Produktion. Wir alle sehen das als Prioritäten – das ist gut. Das gemeinsame Ziel muss der Aufbau sauberer technischer Kapazitäten sein. Aber nicht auf Kosten der jeweils anderen, denn sonst wird es in einem Nullsummenspiel enden. Was die Welt dringend braucht, ist ein gewaltiger Sprung bei der Entwicklung und Einführung solcher Technik, und zwar weltweit. Der Bedarf ist riesig. Daher sollten sich unsere Anreize gegenseitig verstärken und nicht miteinander konkurrieren. Die Chancen sind da, daran besteht kein Zweifel. Auch dies wird ein wichtiges Gesprächsthema auf dem G7-Gipfel sein.
Mein letztes Wort gilt der Infrastruktur. Es geht mir um die Stärkung unserer wirtschaftlichen Sicherheit und um unsere Diversifizierung. All dies reicht natürlich über unsere Kreise in G7 oder G20 hinaus. Es bedeutet ein Zugehen auf neue Länder mit neuen Angeboten einer Partnerschaft. Genau darum geht es, wie Sie wissen, beim „Global Gateway“. In Hiroshima werde ich gemeinsam mit Präsident Biden und Ministerpräsident Kishida eine Nebenveranstaltung der Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen, kurz PGII, leiten. Die PGII vereint die verschiedenen Aktivitäten zu diesem Thema, wozu z. B. auch unser Global Gateway gehört. Das ist die Leitinitiative der G7, die wir im vergangenen Jahr in Elmau auf den Weg gebracht haben. Ziel dieser Nebenveranstaltung ist die Mobilisierung des Privatsektors. Dazu haben wir die Chefs wichtiger Unternehmen eingeladen, konkrete Vorschläge und das weitere Vorgehen mit uns zu erörtern. Sie müssen privates Kapital beisteuern, wir müssen die Risiken mindern und ein günstiges Investitionsumfeld schaffen. Darum geht es bei dieser Nebenveranstaltung.
Soweit mein Ausblick auf die kommende Woche.
Zařazeno | po 15.05.2023 17:05:00 |
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Zdroj | Evropská komise de |
Originál | ec.europa.eu/commission/presscorner/api/documents?reference=STATEMENT/23/2765&language=de |
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