Erklärung der Präsidentin nach dem Gipfeltreffen EU-Kanada
danke, dass wir hier in Saint John's sein dürfen, einem wirklich außergewöhnlichen Ort. Wir haben hier großartige Gastfreundschaft erfahren. Vielen Dank dafür. Und wir hatten einen sehr guten Gipfel. Er hat einmal mehr gezeigt, wie nah wir uns in unseren Werten und unseren Weltanschauungen sind. Das ist in der heutigen Zeit, in der die Welt von zahlreichen Kriegen erschüttert wird, besonders wichtig.
Selbstverständlich haben wir über die aktuelle Lage im Nahen Osten gesprochen. Es gibt nichts, was den abscheulichen Terroranschlag, den die Hamas am 7. Oktober auf Israel verübt hat, und die daraus resultierende Spirale der Gewalt rechtfertigen könnte. Ich denke, wir stimmen in den grundlegenden Punkten überein. Vor allem begrüßen wir es sehr, dass eine humanitäre Feuerpause vereinbart wurde, um das schreckliche Leid der von der Hamas und anderen Terrorgruppen festgehaltenen Geiseln zu beenden. Ich möchte den vielen Menschen danken, die dies möglich gemacht haben, insbesondere Präsident Biden, aber auch Israel, Katar und Ägypten, die sich unermüdlich eingesetzt haben. Gemeinsam werden wir auch weiterhin mit größtmöglicher diplomatischer Leidenschaft dafür kämpfen, dass alle Geiseln sicher zurückkehren.
Der zweite Punkt ist natürlich, dass wir diese humanitäre Feuerpause nutzen werden, um lebensrettende humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen und die Not der dortigen Zivilbevölkerung zu lindern. Seit der Ankündigung der Kampfpause haben wir intensiv daran gearbeitet, im Rahmen eines humanitären Großeinsatzes die Hilfe für den Gazastreifen erheblich aufzustocken. Im vergangenen Monat hat die Europäische Kommission die humanitäre Hilfe für die palästinensische Bevölkerung auf über 100 Millionen Euro vervierfacht. Wir haben eine Luftbrücke eingerichtet, und inzwischen hat der 17. Flug nach El Arish in Ägypten stattgefunden. So haben wir rund 730 Tonnen nach Ägypten und dann über den Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen gebracht. Aber da mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen müssen und die Kapazitäten in Rafah begrenzt sind, müssen wir selbstverständlich versuchen, andere Zugangspunkte zu schaffen. So arbeiten wir beispielsweise mit Zypern daran, einen Seekorridor in den Gazastreifen einzurichten.
Der dritte Punkt ist, dass wir eine Ausbreitung der Gewalt verhindern müssen. Ein friedliches Zusammenleben ist nur mit einer Zwei-Staaten-Lösung möglich. Darin sind wir uns völlig einig. Die Menschen in Palästina und ihre arabischen Nachbarn brauchen die Gewissheit, dass es nicht zu Zwangsumsiedlungen kommt. Sie brauchen eine tragfähige Perspektive mit einem unabhängigen palästinensischen Staat, in dem der Gazastreifen und das Westjordanland vereint sind und der von einer reformierten Palästinensischen Behörde regiert wird. Dafür muss die nicht hinnehmbare Gewalt der Extremisten im Westjordanland aufhören.
Natürlich haben wir auch über die Situation in der Ukraine gesprochen. Von Tag eins dieses Krieges an haben Kanada und die Europäische Union eng zusammengearbeitet – vielen Dank dafür. Bis zum heutigen Tag haben die EU und die Mitgliedstaaten der Ukraine Hilfen von mehr als 85 Milliarden Euro zukommen lassen, davon 25 Milliarden Euro für militärische Ausrüstung. Aber ich möchte hier in allererster Linie Kanada meine Anerkennung aussprechen. Denn Sie standen bereits vor dem russischen Angriff im Februar 2022 an der Seite der Ukraine. Ihr großes Engagement zur damaligen Zeit, als Sie die ukrainischen Truppen ausgebildet haben, war der Schlüssel dafür, dass das Land der allerersten Welle dieses sinnlosen Angriffs widerstehen konnte. Auch heute noch bilden die Europäische Union und Kanada ukrainische Streitkräfte aus, und zwar gemeinsam. Vonseiten der Europäischen Union haben wir inzwischen 30 000 Soldatinnen und Soldaten ausgebildet. Wir sind also auf einem guten Weg, unser Ziel von 40 000 noch in diesem Jahr zu erreichen.
Es ist entscheidend, dass die Europäische Union und Kanada gemeinsam mit anderen Partnern die Ukraine weiterhin tatkräftig unterstützen. Die Ukraine braucht mehr militärische Hilfe und berechenbare und zuverlässige wirtschaftliche Unterstützung. Deshalb haben wir ein Finanzhilfepaket für die Ukraine vorgeschlagen, durch das über die nächsten vier Jahre 50 Milliarden Euro bereitgestellt werden sollen. Dies soll im Rahmen der Geberplattform der G7 erfolgen, die auch die erforderlichen Reformen im Auge haben wird. Auch hier möchte ich Ihnen, Justin, danken, dass Sie einen Experten für diese Geberplattform abgestellt haben. Über das notwendige Personal zu verfügen, ist sehr wichtig. Deshalb vielen Dank für die Entsendung eines Verbindungsbeamten.
Außerdem üben wir mit wirksamen Sanktionen in enger Abstimmung mit anderen G7-Partnern weiterhin Druck auf Russland aus. In diesem Zusammenhang wird die Europäische Kommission demnächst Vorschläge machen, wie mit den Einnahmen aus der Verwaltung eingefrorener russischer Vermögenswerte umgegangen werden soll. Denn es gilt, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Doch auch unsere bilateralen Beziehungen sind eng. Von den vielen Themen, die wir besprochen haben, möchte ich hier vier erwähnen. Das erste Thema ist Innovation. Ich freue mich, dass wir heute verkünden konnten, dass sich Kanada unserem Leuchtturmprogramm „Horizont Europa“ anschließt. Kanada wird sich also gleichberechtigt mit den EU-Ländern beteiligen. Das sind tolle Neuigkeiten. Mit „Horizont Europa“ werden über einen Zeitraum von sieben Jahren 100 Milliarden Euro in Spitzenforschung investiert. Das ist eine fantastische Gelegenheit, unsere besten Köpfe und Talente beiderseits des Atlantiks zusammenzubringen. Gemeinsam werden wir an der nächsten Generation all dieser spannenden, neuen sauberen Technologien arbeiten, aber auch an Biotechnologie, digitalen Projekten und vielem mehr. Ich denke, die Zahlen sprechen für sich: Sie sind einer unserer verlässlichsten Partner bei „Horizont Europa“. Wenn Sie sich das alte Programm anschauen, das von 2014 bis 2020 lief – damals unter dem Namen Horizont 2020 –, so lag Kanada unter den – zu diesem Zeitpunkt – nicht assoziierten Ländern mit mehr als 500 Projekten und über 400 Finanzhilfevereinbarungen auf dem dritten Platz, direkt hinter den Vereinigten Staaten und China. Wenn Sie sich das neue Programm anschauen, an dem Sie nun teilnehmen, so haben Sie bereits intensiv daran mitgewirkt, denn Kanada hat bereits mehr als 100 Finanzhilfevereinbarungen erhalten. Der heutige Beitritt zu dem Programm wird dem nochmal einen deutlichen Schub verleihen, und darauf freue ich mich sehr.
Das zweite Thema ist der Handel. In diesen schwierigen Jahren mit der COVID-19-Pandemie und dem russischen Krieg in der Ukraine hat uns das CETA enorm dabei geholfen, dem Druck standzuhalten. Die bisherigen sechs Jahre seines Bestehens waren eine Erfolgsgeschichte. Unser Handel mit Waren hat um 66 % zugenommen. Das ist enorm. Auch der Handel mit Dienstleistungen hat zugenommen, und zwar um 46 %. So belief sich das Handelsvolumen bei Waren und Dienstleistungen im letzten Jahr auf 118 Milliarden Euro. Das ist ein großartiger Erfolg. Und wenn wir zusammenarbeiten, können wir sogar noch mehr erreichen. Hier möchte ich das Thema der kritischen Rohstoffe ansprechen. Wenn wir in diesem Bereich kooperieren, stärkt das unsere Lieferketten und unsere strategischen Wirtschaftszweige. Das sind digitale und umweltfreundliche Technologien. Und natürlich wird Europa dadurch in Bereichen, in denen derzeit eine zu große Abhängigkeit besteht, unabhängiger von einzelnen Lieferanten. Deshalb möchte ich Kanada herzlich einladen, sich unserem Club für kritische Rohstoffe anzuschließen, den wir auf der COP28 ins Leben rufen werden. Kanada nimmt im Bereich der kritischen Rohstoffe nämlich eine Spitzenposition ein. Es ist heute das einzige Land in der westlichen Welt, das über alle Rohstoffe zur Herstellung von Lithiumbatterien verfügt. Kanada exportiert 90 % seiner mineralischen Rohstoffe. Und die Europäische Union ist Kanadas zweitgrößter Exportmarkt. Ich würde sagen, das passt doch sehr gut zusammen. Lassen Sie uns daran weiterarbeiten!
Das dritte Thema ist die Grüne Allianz, die wir heute ins Leben gerufen haben. Dabei geht es um Zusammenarbeit im Bereich sauberer Energie und umweltfreundlicher Technologien. Kanada verfügt bei sauberer Energie über ein sehr großes Potenzial. Beispielhaft wird das bei Strom aus Windkraft deutlich, den Sie an die Europäische Union liefern. Dies hilft uns sehr, unser Netto-Null-Ziel zu erreichen. Heute haben wir hierzu mehrere Punkte angesprochen. Die Europäische Union wird nun offiziell der von Kanada initiierten Aufforderung zur weltweiten CO2-Bepreisung beitreten. Außerdem werden wir daran arbeiten, CO2-Märkte auszubauen und Standards für CO2-Gutschriften zu entwickeln. Unser gemeinsames Ziel sind mehr Innovationen und weniger Emissionen. Außerdem freue ich mich sehr darüber, dass wir den transatlantischen Handel mit Wasserstoff ankurbeln wollen. Wir müssen diesen strategischen Wirtschaftszweig, den grüner Wasserstoff darstellt, auf beiden Seiten des Atlantiks ausbauen. Daher starten wir heute diesen gemeinsamen Fahrplan für grünen Wasserstoff, um den Markt, also Angebot und Nachfrage, auf beiden Seiten weiterzuentwickeln. Das hat sowohl für die Europäische Union als auch für unseren Partner, Kanada, große Bedeutung.
Das vierte und letzte Thema, das ich ansprechen möchte, ist der digitale Wandel. Denn heute haben wir auch die Digitale Partnerschaft ins Leben gerufen, die uns hilft, beispielsweise die Lieferkette für Halbleiter robuster zu machen, unsere Zusammenarbeit im Bereich der künstlichen Intelligenz zu intensivieren – ein derzeit sehr präsentes Thema – und bei Cyberbedrohungen zusammenzuarbeiten. Hier sind die strategischen Diskussionen und der Wissensaustausch zwischen Kanada und der Europäischen Union von größter Bedeutung. So haben wir auch gerade ein Abkommen über ein Fluggastdatensystem geschlossen. Das sind sehr gute Neuigkeiten. Vielen Dank dafür. Dadurch können wir Kriminalität und Terrorismus wirksamer bekämpfen und gleichzeitig die Grundrechte auf Privatsphäre und Datenschutz in vollem Umfang wahren. Denn – wie Sie ja selbst gesagt haben – wir haben die gleiche Vision, dass Innovationen den Menschen dienen und mit unseren demokratischen Werten im Einklang stehen sollen.
So, lieber Justin, das war die Zusammenfassung unseres Gesprächs, das sehr dicht war, das aber vor allem von der einzigartigen Freundschaft zwischen Kanada und Europa und auch von unserer persönlichen Freundschaft geprägt war.
Vielen Dank.
Media
EU-Canada Summit in St. John’s, Canada
2023-11-24Zařazeno | pá 24.11.2023 23:11:00 |
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Zdroj | Evropská komise de |
Originál | ec.europa.eu/commission/presscorner/api/documents?reference=STATEMENT/23/6041&language=de |
lang | de |
guid | /STATEMENT/23/6041/ |