Staatliche Beihilfen
Die Europäische Kommission hat eine eingehende Untersuchung eingeleitet, um zu prüfen, ob die staatliche Unterstützung, die Belgien für die Laufzeitverlängerung von zwei Kernreaktoren (Doel 4 und Tihange 3) gewähren will, mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht.
Untersuchung der Kommission
Belgien hat die Kommission von seinem Plan in Kenntnis gesetzt, die Laufzeit der Kernreaktoren Doel 4 und Tihange 3, die über eine Gesamtkapazität von 2 GW verfügen, um zehn Jahre zu verlängern. Die Reaktoren stehen im gemeinsamen Eigentum von Electrabel, einer Tochtergesellschaft von Engie S.A.(89,8 % der Anteile), und Luminus, einer Tochtergesellschaft von EDF (10,2 % der Anteile).
Die Maßnahme zielt darauf ab, die Stromversorgungssicherheit in Belgien und seinen Nachbarländern zu gewährleisten und gleichzeitig die CO2-Intensität des belgischen Strommixes so gering wie möglich zu halten. Sie ergänzt den bestehenden belgischen Kapazitätsmechanismus, der sicherstellen soll, dass ausreichende Kapazitäten für die Stromerzeugung vorhanden sind und die Stromerzeugung der erwarteten Nachfrage entspricht.
Belgien plant, im Rahmen der angemeldeten Maßnahme die Laufzeitverlängerung der beiden Kernreaktoren in Partnerschaft mit Engie zu unterstützen. Die Maßnahme umfasst folgende Komponenten:
- finanzielle und strukturelle Vereinbarungen, darunter i) die Gründung eines 50-50-Gemeinschaftsunternehmens zwischen dem belgischen Staat und Electrabel, das zusammen mit Luminus Eigentümer der Kraftwerke und ihrer Produktion wäre, ii) die Ausgabe von Gesellschafterdarlehen und eine Kapitalzuführung durch den belgischen Staat und Electrabel in Höhe von insgesamt rund 2 Mrd. EUR zur Deckung der für die Laufzeitverlängerung erforderlichen Investitionsausgaben sowie iii) vom belgischen Staat bereitgestellte finanzielle Unterstützungsmechanismen, darunter eine Vorfinanzierung der Kosten und Ausgaben von Electrabel für die Entwicklungstätigkeiten, ein Differenzvertrag für den Zeitraum der Laufzeitverlängerung, ein Darlehen von rund 580 Mio. EUR und eine Garantie zur Gewährleistung des operativen Cashflows,
- Übertragung von Verbindlichkeiten von Electrabel auf den belgischen Staat im Zusammenhang mit der langfristigen und endgültigen Lagerung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente gegen Zahlung eines Pauschalbetrags von 15 Mrd. EUR sowie
- Risikoteilung und Rechtsschutz im Falle künftiger Gesetzesänderungen, insbesondere in Bezug auf die Betreiber von Kernkraftwerken in Belgien und die Kernenergie betreffenden Tätigkeiten von Electrabel.
Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Komponenten zusammen als eine einzige Maßnahme geprüft werden sollten und dass sie staatliche Beihilfen beinhalten. Obwohl die belgische Maßnahme zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerechtfertigt erscheint, hat die Kommission Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit den EU-Beihilfevorschriften. Daher hat sie beschlossen, ein eingehendes Prüfverfahren einzuleiten, das sich insbesondere auf folgende Aspekte konzentrieren wird:
- die Erforderlichkeit der zusätzlichen finanziellen Unterstützungsmechanismen – insbesondere die Schaffung des Gemeinschaftsunternehmens und seine Finanzierung sowie die Garantie zur Gewährleistung des operativen Cashflows und das Darlehen in Höhe von 580 Mio. EUR – zusätzlich zum Differenzvertrag,
- die Geeignetheit der Ausgestaltung des Differenzvertrags und die Kombination von finanziellen und strukturellen Vereinbarungen, da die Begünstigten dadurch zu stark von Markt- und operationellen Risiken entlastet werden könnten,
- die Angemessenheit der Kombination von finanziellen und strukturellen Vereinbarungen und des Pauschalbetrags von 15 Mrd. EUR,
- die Einhaltung der einschlägigen sektorspezifischen EU-Rechtsvorschriften, insbesondere was die Ausgestaltung des Differenzvertrags betrifft, und
- die Auswirkungen der Maßnahme auf den Markt angesichts der Ausgestaltung des Differenzvertrags sowie der Auswahl und Unabhängigkeit des Verkäufers des Atomstroms.
Mit der Einleitung des eingehenden Prüfverfahrens erhalten Belgien und Beteiligte Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Verfahren wird ergebnisoffen geführt.
Hintergrund
Nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können die Mitgliedstaaten ihren Energiemix, die Bedingungen für die Nutzung ihrer Energieressourcen und die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung selbst bestimmen. Entscheidungen über die Förderung von Kernenergie fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.
Staatliche Beihilfen für Kernenergie können unmittelbar auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV geprüft und genehmigt werden, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige zu fördern. Die Förderung sollte erforderlich und angemessen sein und die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.
Nach dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften für das Elektrizitätsmarktdesign im Juli 2024 beurteilt die Kommission auch die Einhaltung der in der Verordnung (EU) 2024/1747 festgelegten Gestaltungsgrundsätze für Differenzverträge.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb unter der Nummer SA.106107 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter State Aid Weekly e-News.
Zařazeno | po 22.07.2024 15:07:00 |
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Zdroj | Evropská komise de |
Originál | ec.europa.eu/commission/presscorner/api/documents?reference=IP/24/3901&language=de |
lang | de |
guid | /IP/24/3901/ |